Fast „Bad- Wippenbach“???
Die Geschichte hat es nicht immer freundlich mit Wippenbach gemeint. In früheren Zeiten stets fern von großen Reichtümern und einmal fast von all seinen Einwohnern verlassen ist der kleinste Ortenberger Stadtteil auch heute noch eher beschaulich und unspektakulär. Dabei sah es einmal eine kurze Zeit so aus, als könnte aus Wippenbach noch ein richtig prominenter Ort werden. Und das kam so:
Im benachbarten Selters gab es schon seit vielen hundert Jahren salzführende Quellen, die nachweislich seit mindestens 1437 für wirtschaftliche Zwecke ausgebeutet wurden. Erst in neuerer Zeit kam man aber darauf, die Quellen zur gesundheitlich heilsamen Anwendung zu nutzen. Niederschriften aus der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts belegen die Planungen und Bemühungen, die in dieser Hinsicht angestrengt wurden. Im Jahre 1843 berichtete der Selterser Gemeindeeinnehmer Mickel von der Errichtung eines Mineralbrunnens 1826 auf einer gemeinsamen Fläche der Ortschaften Selters und Wippenbach.
Bemerkenswert an seinen Aufzeichnungen ist unter anderem die Mitteilung, dass selbst Justus Liebig zur Begutachtung des hier auftretendem Salzwassers herangezogen wurde. Der beurteilte die Wasserqualität in Wippenbach und Selters als für die Errichtung einer Badeanstalt weitaus geeigneter als die im nahen Salzhausen vorhandene. Trotzdem war es bereits zu spät für die beiden Ortschaften, dem Beispiel des sich in dieser Zeit entwickelten Kurbades Salzhausenzu folgen.
Dort wurden 1826 und 1827 von der damaligen großherzoglichen Landesregierung große Summen zum Bau des Kurhauses und neuer Badeanlagen ausgegeben. Wippenbach und Selters hatten nicht die staatliche Protektion, die Bad Salzhausen zuteil wurde. Die Hoffnung, man werde trinkbares Mineralwasser finden, die die Nahbarorte im Anschluss an diese Niederlage nährten, wurden ebenfalls enttäuscht. Lediglich zum Baden eignete sich das Wasser wegen seines zu Starken Salzgehaltes.
Trotzdem hat die Idee, etwas großes aus ihrem kleinen Dorf machen zu können, die Wippenbacher noch einige Jahre bewegt. Erst 1898 beschloss der Wippenbacher Gemeinderat, die sich in seiner Gemarkung befindliche Mineralquelle und umliegende Gemeinde- und Schulwiesen bei sich bietender Gelegenheit zu verkaufen. Auf ein Inserat im Büdinger Anzeiger meldete sich zwar bald ein Kaufinteressent, doch das Büdinger Kreisamt untersagte die Veräußerung. Schließlich wurden Verpachtungsverhandlungen eingeleitet.
1901 erhielt der Bergwerksrepräsentant Wildenhayn vom Wippenbacher Bürgermeister die Erlaubnis, im Quellgebiet Grabungen zu unternehmen. Bald stieß man auf einen alten Schacht, der wohl das Ergebnis früherer Grabungen war und setzte die Grabungen im Handbetrieb fort. Bei 6 Metern Tiefe verweigerten die Arbeitskräfte wegen drohender Einsturzgefahr die Weiterarbeit. Im November 1902 wurde das Projekt wieder aufgenommen; diesmal mit einem Bohrturm und Dampfmaschinenantrieb.
1903 drang aus 50 Metern Tiefe ein starker Salzwasserstrahl mit nur geringem Druck durch ein Steigrohr nach oben. Dem erbohrtem Brunnen gab man den Namen „Klosterbrunnen“. Wildenhayn suchte aufgrund von Boden- und Pflanzenvergleichen noch nach anderen Stellen, die Quellen vermuten ließen und regte an, weitere Grabungen zu versuchen.
Als man 1903 im Handbetrieb schließlich auf 53 Metern Tiefe bohrte und freudig überrascht war, als plötzlich ein starker Wasserstrahl mehr als 4 Meter über dem Boden hochschoss und diese Höhe konstant beibehielt, war das leider nicht in Wippenbach, sondern im benachbarten Selters. Es war der 31.März 1903, der Benediktustag. Und so nannte man den erbohrten Sprudel „Benediktussprudel“. Mit dem Zutage treten dieses Mineral-Sprudels waren endgültig die Weichen gestellt und die Grundlagen gegeben für den Ausbau des Bades und Kurhauses in Selters, das Wippenbach in Bezug auf „Kurstadt-Ambitionen“ nun endgültig den Rang abgelaufen hatte.